Österreichische Dystonie Gesellschaft

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Tortikollis Spasticus (Spasmodicus)


Andere Bezeichnungen:

Tortikollis spastikus, zervikale Dystonie, spastischer Schiefhals. Unterformen: Laterokollis, Retrokollis, Anterokollis

Die Erkrankung tritt meist im mittleren Lebensalter auf und kommt häufiger bei Frauen vor. 

Klinisches Bild:

Beim Tortikollis besteht eine gestörte Koordination von Kopf- und Nackenbewegungen, die zu einer Kopfschiefhaltung führen. Es treten unwillkürliche ziehende tonische oder phasische Spasmen der Hals-Nackenmuskulatur auf, die den Kopf zur Seite drehen (Tortikollis), zur Seite kippen (Laterokollis), nach vorwärts (Anterokollis) oder nach rückwärts (Retrokollis) ziehen. Häufig bestehen ausgeprägte Schmerzen in den betroffenen oder den reaktiv angespannten Muskeln. Bei manchen Patienten kann sich ein Kopfwackeln oder Zittern hinzugesellen (dystoner Wackeltremor). Oft kommt es zu einem Schulterhochstand. Die Beschwerden können im Sitzen, Stehen, Gehen oder Liegen unterschiedlich ausgeprägt sein. Häufig werden sensorische Tricks zur Erleichterung der Beschwerden angegeben. Zum Beispiel kann das Anlegen eines Fingers an der Wange nicht nur zu einer mechanischen Stabilisierung des Kopfes, sondern auch zu einer Abnahme des Muskelzuges führen. Dies bezeichnet man in der Fachsprache als "geste antagoniste". 

Verlauf: 

Beim Tortikollis handelt es sich um eine chronische Erkrankung, die über viele Jahre bestehen kann. Bei 10 bis 15% der Erkrankten kann es, insbesondere bei jüngeren Patienten, zu einer Rückbildung oder zumindest zu einer wesentlichen Besserung der Symptome kommen. 

Therapie:

Bisherige Therapiemöglichkeiten beim Tortikollis spasmodicus können im allgemeinen Kapitel „Dystonien“ nachgelesen werden. Heute gilt die Botulinumtoxinbehandlung als Therapie der Wahl bei dieser Erkrankung. 

Spezielle Aspekte der Botulinumtoxinbehandlung 

Behandlungstechnik:

Um einen guten Behandlungseffekt zu erzielen, müssen zuvor die dystonen Muskeln identifiziert werden. In einer genauen klinische Untersuchung werden die Kopfbewegungen im Sitzen, Liegen und Gehen analysiert. Auch das Betasten der Muskeln und die subjektive Angabe von Schmerzpunkten spielt für die Auswahl der Muskeln eine wichtige Rolle. In manchen Fällen kann eine Poly-EMG Untersuchung hilfreich sein. Dabei werden mit dünnen Nadeln aus den wichtigsten Nackenmuskeln gleichzeitig Muskelpotentiale abgeleitet, um die Muskelaktivität in Ruhe bzw. bei Kopfbewegungen festzustellen. Anschließend wird in diejenigen Muskeln, die die stärkste dystone Aktivität aufweisen, Botulinumtoxin injiziert. Pro Muskel können ein oder mehrere Einstiche erforderlich sein. Die Injektionen, die je nach Muskel in liegender oder sitzender Position vorgenommen werden, sind wenig schmerzhaft und werden vom überwiegenden Teil der Patienten als wenig belastend empfunden. Häufig werden die Injektionen unter gleichzeitiger EMG-Kontrolle durchgeführt, um die genaue Lage der Nadel im Muskel zu bestimmen. Abgesehen von kleinen Blutergüssen - wie sie nach jeder Injektion vorkommen können - ist mit keinen unmittelbaren Nebenwirkungen zu rechnen. 

Wirkungseintritt:

Mit einem Wirkungseintritt ist nach etwa 5 bis 20 Tagen zu rechnen. 

Therapieerfolg:

Durch die vorübergehende Schwäche der überaktiven Muskeln kommt es zu einer Abnahme der ziehenden Bewegungen und dadurch zu einer besseren Kopfhaltung in etwa 70 bis 80% der Fälle. Bei fast allen Patienten kommt es zu einer Abnahme begleitender Schmerzen. 

Nebenwirkungen:

Insbesondere bei Injektion in die der Schluckmuskulatur benachbarten Muskeln kann es nach einigen Tagen zu einer Schluckstörung unterschiedlichen Grades kommen. Diese ist dosisabhängig und bildet sich in allen Fällen nach wenigen Tagen wieder zurück. Manche Patienten berichten über eine diskrete Schwäche der Halsmuskeln, so dass kurzfristig das Heben des Kopfes Schwierigkeiten bereiten kann. 

Dosis:

Bei der ersten Injektion wird meist eine Standarddosis von Botulinumtoxin verwendet, die auf die betroffenen Muskeln verteilt wird. In früheren Jahren wurden meist höhere Botulinumtoxinmengen verabreicht. Der klinische Alltag zeigte allerdings, dass man mit geringeren Mengen denselben Effekt bei weniger Nebenwirkungen erreichen kann. Es ist jedoch immer eine individuelle Anpassung der Dosis notwendig, da offensichtlich individuelle Unterschiede in der Ansprechbarkeit bestehen.

Die Dosis bei Folgebehandlungen richtet sich nach dem Erfolg der vorhergehenden Behandlung und dem Auftreten von Nebenwirkungen. Ein schlechtes Ansprechen auf die Botulinumtoxinbehandlung zieht nicht automatisch eine Erhöhung der Dosis nach sich. In allen Fällen wird man vorerst die Auswahl der Muskeln noch einmal überprüfen und eventuell andere Muskeln injizieren oder die Dosis auf die einzelnen Muskeln anders verteilen. Insgesamt wird meist eine niedrige Gesamtdosis bei möglichst gutem klinischen Effekt und geringer Nebenwirkungsrate angestrebt. 

Wirkdauer und Wiederholungsbehandlungen:

Die Wirkdauer liegt bei durchschnittlich 2 bis 5 Monaten. Wiederholungsbehandlungen bringen in den meisten Fällen erneut eine Besserung. 

Therapeutische Begleitmaßnahmen: 

Die Botulinumtoxinbehandlung stellt heute sicherlich die wichtigste Therapiemaßnahme dar. Patienten, die eine Botulinumtoxintherapie ablehnen, erhalten die früher verwendeten Medikamente . In sehr leichten Fällen kann eventuell Biofeedbacktraining, physikalische Anwendungen oder Physiotherapie vorgeschlagen werden, die allerdings meist nur eine kurzzeitige Besserung bringen. 

Ob neben der Botulinumtoxinbehandlung andere Behandlungsansätze notwendig sind, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden (siehe oben).

Alternativ- oder Komplemetärmedizinische Therapien werden immer wieder als mögliche Behandlungsansätze beim Tortikollis angeführt. Der Erfahrung nach gibt es damit kaum Therapieerfolge. Eigene Untersuchungen an einer Gruppe von Tortikollispatienten zeigten, dass Therapien dieser Art keinen oder nur einen ganz kurzzeitigen, Minuten anhaltenden Effekt haben. 

Wenn eine subjektive Besserung der Beschwerden erreicht werden kann, besteht sicherlich kein Einwand gegen eine (unterstützende) Therapie mit Akupunktur, Homöopathie oder anderen Verfahren. Allerdings sollte aufgrund der manchmal hohen Kosten, die den Patienten dadurch anfallen, eine genaue Aufklärung über den Stellenwert der einzelnen Behandlungsmethoden erfolgen.